GLAMOUR (teresa)

Kopflos renne ich durch den Supermarkt. Da ich meinen Einkaufszettel vergessen habe, muss ich ständig zurück gehen um etwas einzupacken, weil ich an etwas vorbeigelaufen bin, was ich eigentlich brauche, wohl wissend, dass ich ohnehin nochmal kommen muss weil ich die Hälfte vergessen werde.

Hektisch werfe ich an der Kasse all meine Errungenschaften auf das Laufband – ich hätte einen Korb nehmen sollen, die Eier drohen, mir aus der Hand zu rutschen- und wühle dann in meiner Handtasche, auf der Suche nach Geld. Ich habe meine Einkaufstasche vergessen, jetzt muss ich schon wieder eine kaufen. Während ich mich in der Schlange von Kunden äußerst langsam vorwärts bewege, stehe ich plötzlich vor dem Regal mit Zeitschriften. Bei dem Anblick der Beauty-Magazine fühle ich mich gleich besser – die bunten Headlines und hübschen Mädchen auf den Covern kombiniert mit bunten Buchstaben die versprechen, dass das Lesen dieses Hefts garantiert zum Idealgewicht, dem Traummann, der perfekten Karriere und zu haufenweise designermode führt, lassen mein Mädchenherz immer höher schlagen. Natürlich packe ich alle Ausgaben, die ich noch nicht habe, zu meinen anderen Einkäufen und male mir aus, wie ich später im Bett gemütlich diese leichte Kost und die vielen schönen Bilder genieße, möglicherweise mit einem Glas Wein, oder, ganz paradox, Gummibärchen essend. Und so bin ich, als ich den Laden verlasse, um einiges fröhlicher als noch wenige Minuten früher.

Später an diesem Nachmittag sitze ich gemütlich auf dem Sofa, bereit, mit meiner Glamour/InStyle/Joy ein bisschen Spaß zu haben. Ohne sie fühle ich mich orientierungslos, zumindest modisch gesehen, und bin immer froh, wenn ich etwas entdecke, das sowohl gerade als schön gilt als auch meiner Körperform und meinem Geschmack angemessen ist. Nach jahrelanger Übung in diesem Fitler-Vorgang weiß ich: Allzu viel bleibt da nicht übrig. Außerdem verbringe ich später sowieso den ganzen Nachmittag im H&M Online-Shop um für die Mulberry-Tasche und den Burberry-Mantel ein preiswertes Äquivalent zu finden, denn 2000 € für eine Handtasche zu bezahlen, halte ich für ein wenig unmoralisch. Nicht, dass ich es nicht tun würde, wenn ich genug Geld auf dem Konto hätte… Ich sonne mich also ein paar Stunden im Glanz der Schuhe und Kleider und schwelge im “Was wäre, wenn…”, kaufe dann online meistens Schuhe – denn für die ist man nie zu dick – und lese dann weiter. Interviews. Viele Stars, die alle immer wieder dasselbe sagen. Sie sind so perfekt, dass es mir fast unheimlich ist, aber trotzdem bekomme ich unweigerlich einen Minderwertigkeitskomplex… wenn ich nicht so dünn werde, dann werde ich nie so schön. Ich passe ja eh in kein Kleid. In meiner Größe sieht das sowieso unmöglich aus. Wenn ich dünner und schöner werde, würden die Leute bestimmt alles toller finden, was ich mache! Vielleicht hätte ich dann schon längst einen eigenen Plattenvertrag und ein Album mit meinen Liedern und einem Porträt von mir auf dem Cover. Weil die Leute sich plötzlich dafür interessieren würden, worüber ich singe. Und damit meine ich nicht meine Großeltern und meine beste Freundin, sondern die ganze Welt.

Nachdem ich also einige weitere qualitativ hochwertige Interviews gelesen habe, ist die Stimmung schon wieder etwas gedämpfter und ich verordne mir selbst enthusiastisch eine Diät. Die ich ca zwei Stunden später wieder verworfen haben werde, ich faule und undisziplinierte Person.

Eine Anleitung für mein Diät-und-wie-ich-danach-aussehe-Kopfkino finde ich wenige Seiten weiter, gleich nach dem “Sie müssen lernen, sich selbst zu lieben”-Artikel: Die 10 Effektivsten Diäten im Test mit “individuell auf mich zugeschnittenem” Sportprogramm (das ich selber ermitteln kann, indem ich 10 Frage mit 3 Antwortmöglichkeiten beantworte und die As, Bs und Cs zusammenrechne). Begeistert denke ich, ja, das müsste ich doch mal schaffen, ich habe ja jetzt Ferien (in der Realität eher so: Puh, ich hab Ferien, her mit dem Schokoeis und dem Martini!). Gleich fühle ich mich besser, da ich ja in den nächsten fünf Tagen sowieso die Hälfte meines Körpergewichts verloren haben werde. Jippie.

Den Teil, in dem steht, wie man am besten Karriere macht, überspringe ich lieber. Erstens studiere ich erstmal, zweitens werde ich nie in dieses Business-Dress passen, das die Frau von der Fotostrecke anhat und drittens ist mir das viel zu ungemütlich. Das lese ich vielleicht später, um die Wartezeit bis zum nächsten Heft zu überbrücken.

Und jetzt – uuh, ja, noch ein Psychotest. “Welcher Typ Mann steht auf Sie”. Bei den meisten Fragen muss ich irgendwas aussuchen, weil ich zum letzten Mal vor einem Jahr in einem Club war, wo ich mich wahnsinnig fehl am Platz gefühlt habe, deswegen wurde ich auch eher selten angetanzt in letzter Zeit… Und in dem “Welcher Typ Mann ist ihr Liebster” passt auch bei den meisten Fragen keine der Auswahlmöglichkeiten auf meinen Freund. Irgendwie schade, ich hätte es nämlich schon gern gewusst. Aber andererseits erleichetrnd, dass er sich nicht so schnell in eine Schublade stecken lässt…

Zum Schluss, mein Horoskop, das mir für den kommenden Monat ganz viel Glück im Job, Schwierigkeiten, die ich locker überwinden werde und Stress mit dem Widder, mit dem ich sowieso nie was anfangen sollte. Einleuchtend, denn ich, und mein Freund, der Widder, verstehen uns seit vier Jahren blendend…

Abends stehe ich im Bad vor dem Spiegel, widme mich der ausgiebigen Hautpflege und probiere vielleicht ein, zwei Make-Up Tricks aus dem Heft aus. Dann steige ich in die Dusche, sehe mich an und weiß, dass ich niemals so perfekt aussehen werde, wie ich es gern hätte. Wütend dusche ich vor mich hin, pflege meine von vielen Färbungen geschundenen Haare, bis sie ganz weich sind und freunde mich nach dem Duschen, beim eincremen, wieder mit meinem Körper an. Was soll’s, denke ich, und esse vor dem Schlafengehen noch ein Stückchen Käse.

Am nächsten Morgen: Alles vorbei. Völlig entsetzt bemerke ich, dass mein Lieblingsrock jetzt auch schon am Speckröllchen zwickt. Ich habe keinen Hunger mehr und würde meinen abendlichen Käsesnack gern rückgängig machen. Ab jetzt esse ich ab 17 Uhr eh nichts mehr. Kann ich mir nicht leisten. Am besten esse ich sowieso nie mehr irgendwas. Schon garnichts mit Zucker, Kohlenhydraten oder Fett. Ab jetzt nur noch Salat. Allein bei dem Gedanken daran werde ich ganz missmutig und spüre, dass es heute für alle, die in meine Nähe kommen, kein Spaß sein wird. Hektisch mache ich ein paar Dehnübungen. Ich komme mir so blöde dabei vor, dass ich schnell wieder aufhöre. Ich komme mir bei Sport meistens so vor, als würden alle anderen über mich lachen, weil ich so unsportlich bin. Trotzdem verordne ich mir regelmäßige Trainingseinheiten.

Ich seufze, ziehe mich auf dem Bett, wo kein Spiegel ist an, fühle mich in der Straßenbahn seltsam und wenn mich jemand ansieht, denke ich, “oh mann, bestimmt, weil ich so aussehe”. Ich bin unsicher und mache mir viel zu viele solcher Gedanken. Ich versuche, das schlechte Gefühl abzuschütteln und bin stattdessen lustig und bemüht, Selbstbewusstsein auszustrahlen. Hoffentlich sitzen wenigstens meine Haare.

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